Gesetzesentwurf § 611 a BGB im Hinblick auf Scheinselbständigkeit

Man könnte auf die Idee kommen, dass Arbeitsministerin Nahles eine Korrektur der Folgen der Hartz Reformen im Hinblick auf die Scheinselbständigkeit erwägt. Der Referentenentwurf vom 16.11.15 des § 611 a BGB unternimmt jedenfalls den Versuch, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in einen Text zu gießen, der Arbeitgebern sowie Arbeitnehmern Klarheit schaffen soll. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden jedoch noch keine „Löcher gestopft“. Bis zur finalen Fassung welche zum 01.01.2017 umgesetzt werden soll, wird klarstellend noch einiges dazukommen müssen.

Zunächst zum Text der beabsichtigten neuen Fassung des § 611 a BGB:

§ 611 a BGB – Vertragstypische Pflichten beim Arbeitsvertrag

  1. Handelt es sich bei den aufgrund eines Vertrages zugesagten Leistungen um Arbeitsleistungen, liegt ein Arbeitsvertrag vor. Arbeitsleistungen erbringt, wer Dienste erbringt und dabei in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist und Weisungen unterliegt. Wenn der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung einander widersprechen, ist für die rechtliche Einordnung des Vertrages die tatsächliche Durchführung maßgebend.
  2. Für die Feststellung, ob jemand in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist und Weisungen unterliegt, ist eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Für diese Gesamtbetrachtung ist insbesondere maßgeblich, ob jemand
    1. nicht frei darin ist, seine Arbeitszeit oder die geschuldete Leistung zu gestalten oder seinen Arbeitsort zu bestimmen,
    2. die geschuldete Leistung überwiegend in Räumen eines anderen erbringt,
    3. zur Erbringung der geschuldeten Leistung regelmäßig Mittel eines anderen nutzt,
    4. die geschuldete Leistung in Zusammenarbeit mit Personen erbringt, die von einem anderen eingesetzt oder beauftragt sind,
    5. ausschließlich oder überwiegend für einen anderen tätig ist,
    6. keine eigene betriebliche Organisation unterhält, um die geschuldete Leistung zu erbringen,
    7. Leistungen erbringt, die nicht auf die Herstellung oder Erreichung eines bestimmten Arbeitsergebnisses oder eines bestimmten Arbeitserfolges gerichtet sind,
    8. für das Ergebnis seiner Tätigkeit keine Gewähr leistet.
  3. Das Bestehen eines Arbeitsvertrages wird widerleglich vermutet, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch insoweit das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt hat.“

Der Ansatz innerhalb der Norm um den Dienstvertrag bei der Einstufung eines Arbeitsverhältnisses Klarheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schaffen ist begrüßenswert und notwendig. Auf den ersten Blick liest sich der neue Gesetzestext logisch, bei näherer Betrachtung fällt zunächst ins Auge, dass ein ziemliches Durcheinander von arbeitsrechtlicher und sozialrechtlicher Prüfungskompetenz entsteht. Einer der Hauptprofiteure der neuen Regelung dürfte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV-Bund) sein. Nur werden die arbeitsrechtlichen Normen des BGB in erster Linie bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmer zur Prüfung herangezogen. Die DRV-Bund ist jedoch überwiegend mit der Rechtsprechung und der Normen der Sozialgerichte befasst. Ob die neu gefasste Norm hier eine Brücke zu schlagen vermag ist fraglich.

Ich denke, bis zur geplanten Umsetzung des neuen § 611 a BGB werden unter den Arbeitgeber– und Arbeitnehmervertretern noch hitzige Diskussionen zu erwarten sein. Am Ende wird hoffentlich eine Neufassung herauskommen, die so klar definiert ist, dass sie Arbeitgebern sowie Arbeitnehmern bei der Feststellung des  Beschäftigungsstatus tatsächlich keine Fragen mehr offen lässt.  Zu klären ist auf alle Fälle warum die Parteien, die von einem „freien“ Arbeitsverhältnis ausgehen nun zur Statusprüfung vor das Arbeitsgericht ziehen sollten. Der Scheinselbständige trägt bei einer Anzeige zur Prüfung seines Status ein hohes Risiko, demnächst gar keine Einkünfte mehr zu erzielen. Zum Erreichen des Normzweckes wäre es eine probate Möglichkeit, die Arbeitgeber bei Vorlage von mindestens 2 Abgrenzungsmerkmalen zu zwingen, das konkrete Arbeitsverhältnis der DRV-Bund zur Prüfung vorzulegen. Sollte der Arbeitgeber trotz offensichtlichem Vorliegen von mindestens 2 Merkmalen diese Meldung unterlassen und im Nachhinein herauskommen, dass ein sozialversicherungsrechtliches Arbeitsverhältnis bestanden hat, müssten Strafzahlungen an DRB sowie eine nachträgliche Ausgleichszahlung an den in die Scheinselbständigkeit gezwungenen Arbeitnehmer erfolgen. Die Motivation ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnisse zu begründen wäre damit jedenfalls gesteigert.